Erklärung nach § 31 GO zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung
Erklärung nach § 31 GO zum von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung (Drucksache 18/10469)
Mit der heutigen Entscheidung geht unser Parlament den historischen Schritt einer Neuordnung der Verantwortung und damit auch Finanzierung der Atomenergie-Folgelasten. Zwar liegt im Sinne des Verursacherprinzips die Verantwortung zur Abwicklung der Atomenergienutzung richtigerweise grundsätzlich bei den Betreibern von Atomkraftwerken und den betreffenden Energiekonzernen. Letztlich wird aber die Allgemeinheit zur Verantwortung gezogen, wenn die Betreiber etwa durch Konzernaufspaltungen oder Insolvenzen nicht mehr zur Haftung herangezogen werden können. Zugleich muss uns bewusst sein, dass über Jahrzehnte unterbliebene Vorsorge nachträglich kaum mehr erfüllbar ist.
Während mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz die auch ökonomische Verantwortung von Stilllegung, Rückbau und Verpackung beim Betreiber verbleibt, geht die Verantwortung für Zwischenlagerung und Endlagerung auf den Staat über, insofern die hierfür nun gesetzlich formulierten Voraussetzungen erfüllt werden. Die langfristig währende Verantwortung für die Zwischenlagerung und Endlagerung wird dabei über einen öffentlich-rechtlichen Fonds getragen, der von Seiten der Betreiber mit einem Vermögen von insgesamt 23,556 Mrd. Euro auszustatten sein wird.
Mit den Regelungen zur Nachhaftung verhindern wir die Enthaftung der Konzerne durch Betreiber-Insolvenzen oder Konzernaufspaltungen. Die Verabschiedung eines Nachhaftungsgesetzes bereits im letzten Jahr war von Seiten unseres Koalitionspartners trotz erfolgtem Kabinettsbeschluss verhindert worden. Umso wichtiger ist es, dass eine Nachhaftungsregelung nun mit verabschiedet wird. Kritisch betrachte ich dabei, dass sich die Nachhaftung bei Konzernaufspaltung nur auf den Bereich der Zwischen- und Endlagerung, hingegen nicht auch auf die Phase der Stilllegung, des Rückbaus und der Verpackung bezieht. Eine umfassendere Nachhaftungsregelung konnte leider nicht geeinigt werden.
Mit den atomgesetzlichen Änderungen wird die Option des sogenannten sicheren Einschlusses nahezu abgeschafft. Die Ausschließlichkeit des Rückbaus hat die SPD seit langem gefordert.
Erst in der vergangenen Woche hat das Bundesverfassungsgericht den politisch in Abwägung mit Gesundheits- und Umweltschutzbedarfen entschiedenen Atomausstieg als im Wesentlichen verfassungskonform beschieden. Allein vor diesem Hintergrund erwarte ich von den Atomkonzernen die Rücknahme aller im Zusammenhang mit Atomenergienutzung zusammenhängenden Klagen, auch solcher, die von den jüngsten Ankündigungen der Konzerne nicht erfasst sind. Es entspricht meinem parlamentarischen Selbstverständnis, dass im Fall eines Aufrechterhaltens von Klagen von Seiten der Konzerne und einer sich hierüber zulasten der Allgemeinheit verschlechternden Vermögenssituation eine Neuberechnung der Kostenlasten vorzunehmen wäre. Es entspricht auch der mit einem Entschließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen (Ausschussdrucksache 18(9)1073) erklärten Erwartungshaltung gegenüber der Bundesregierung, die Rücknahme aller Klagen zu erreichen.
Der Entschließungsantrag bringt zudem die Erwartungshaltung zum Ausdruck, dass die Geldanlage des einzurichtenden Fonds nachhaltig erfolgt; dass die Mittel nicht in Projekten oder Anlagen Verwendung finden, die dem übergeordneten Willen des Gesetzgebers zuwider laufen, die Nutzung der Atomenergie zu beenden. Hierfür hatte sich die SPD-Fraktion eingesetzt. Ich bedaure, dass unser Koalitionspartner diesbezüglich keiner gesetzlichen Regelung zustimmen wollte.
Während des parlamentarischen Verfahrens ist es gelungen, die Beteiligung des Parlaments für den weiteren Prozess, etwa in der Zusammensetzung des Kuratoriums zur Begleitung des Fonds und dessen Einrichtung zu gewährleisten.
In Bezug auf die Einsetzung von Kommissionen im Vorfeld parlamentarischer Beratungen hat sich die Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK) als ein hilfreiches Instrument erwiesen, einen Rechtsfrieden auch im Sinne anderer zivilgesellschaftlicher Akteure herzustellen. Zugleich dürfen außerparlamentarische Kommissionen nicht zur faktischen Eingrenzung parlamentarischer Gestaltung führen, wenn etwa bereits ein Regierungsentwurf von Bindungswirkung in Bezug auf die Einstimmigkeit eines Kommissionsbeschlusses gekennzeichnet ist. Dies wird dem parlamentarischen Beratungsprozess, den hiesigen Öffentlichen Anhörungen aber auch den einzelnen Abgeordneten nicht gerecht und gefährdet nicht zuletzt die Bedeutung der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie. Nach meiner Überzeugung sollten Kommissionen der hier eingesetzten Form nur in absoluten Ausnahmefällen eingesetzt werden, wenn der Fokus einzubeziehender Expertise dies über die Thematik und die Dauer sowie den Hergang einer öffentlichen Auseinandersetzung rechtfertigt.
In einer Gesamtbetrachtung begrüße ich, dass mit dem vorliegenden Gesetz ein Mehr an Rechtssicherheit für die Kostentragung im Zusammenhang der Abwicklung der Atomenergienutzung geschaffen wird und stimme dem Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu.
Berlin, 15. Dezember 2016
Norbert Spinrath, MdB